Cordi und Björn in China

Mittwoch, Februar 28, 2007

Business Dinner

Cordula schrieb:

Es fing an mit "Cordula, hast du Zeit heute Abend mit zum Business Dinner zu kommen?".

Zufällig hatte ich wirklich Zeit und habe zugesagt. Davon werde ich jetzt ganz aktuell berichten, denn ich bin gerade erst zurückgekommen und noch immer einigermaßen betrunken.

Direkt nach der Arbeit, so gegen halb sieben, sind wir (vier Chinesen: Frank, Meihua, Joshua, Chenny und ich) losgefahren zu einem sehr schönen chinesischen Restaurant in der Nähe der Minjiang Lu. Dort trafen wir dann den größten Kunden der Firma, der ein Studienkollege von unserem Chef Frank ist, mit zwei Mitarbeitern und einen kleineren Kunden, der ebenfalls ein Studienkollege von Frank ist. So ist das halt in China. Hier wird nur mit Freunden Geschäfte gemacht und gut befreundet ist man quasi mit jedem, den man zum zweiten Mal trifft. Insgesamt waren wir dann also zu neunt. Acht Chinesen, eine Deutsche.

Business Dinner ist ein bißchen so wie Karneval: Gute Laune auf Knopfdruck. Geübtes künstliches Lächeln geht auch. Kann ich inzwischen schon ganz gut;-)

Nachdem alle vorgestellt wurden und jeder den komplizierten Vornamen der tollen Ausländerin aussprechen konnte, wurden die 0,2l-Gläser mit Tsingtao-Bier gefüllt und dann ging es los mit "Gan bei". Auf ex! Neben einer bestimmten Tischordnung nach Rang gibt es auch eine Trinkspruchreihenfolge. Es ging von einem Neujahrstoast des Gastgebers mit allen Gästen über auf den nächsten Toast und den nächsten und so weiter. Dann kam irgendwann die Vorspeise. Es folgten weitere Trinksprüche und "Gan bei's". Irgendwann wurde nicht mehr mit allen Gästen gleichzeitig getrunken, sondern jeder mit jedem anderen einzeln und alle einzeln mit der Ausländerin. Puh! Mein Pegel stieg rapide. Meine Kolleginnen haben immer nur am Glas genippt, aber ich habe mit den Herren die Gläser immer komplett durchgezogen. Hab gedacht, dass nach ein paar Bier das Chinesischsprechen leichter geht.... Keine gute Idee!

Es war auch ein Chinese da, der französisch sprechen konnte, so konnte ich das seit langer Zeit auch mal wieder üben. Daraufhin wurde "à votre santé" angestoßen. Dann stellte sich heraus, dass einer der Chinesen in Liverpool studiert hatte. Was für ein Zufall. Da hat die Ausländerin doch vor ein paar Jahren mal ein Praktikum gemacht. "Gan Bei" auf die Beatles. "Gan Bei" auf den Fussball. Ein Chinese ist auch schon mal in München gewesen. Was für ein Zufall. Das liegt ja in Deutschland. "Gan bei" auf Deutschland......
Das erste Hauptgericht war übrigens ein Frosch, um den ich mich mit fadenscheinigen Ausreden und nettem Lächeln irgendwie herumdrücken konnte, obwohl mir alle versicherten, dass der doch total lecker sei. Na ja, sah nicht so aus.
Das restliche Essen war eigentlich sehr lecker: Fisch, irgendwas mit Rindfleisch, Vegetable (so heißt alles was grün ist), gefüllte Teigtaschen, Pilze uvm.

Da es das erste gemeinsame Business Dinner im neuen Jahr war, gab es viele Gerichte, deren chinesischer Name die gleiche Aussprache hat wie "Erfolg", "gute Geschäfte" usw. Zwischendurch immer wieder ganz viel "Gan bei" und kaum war das Glas leer, hat es auch schon jemand wieder voll gemacht und den nächsten Trinkspruch zum besten gegeben. Irgendwann fing dann ein Chinese an seine Unzufriedenheit über die Politik der chinesischen Regierung zu äußern, woraufhin er schnell von seinen beiden Studienkollegen abgewürgt wurde. Das Thema ist hier total tabu. Psssst!

Wenn Chinesen über Deutschland sprechen, dann merkt man schnell, dass der Schwerpunkt ihres Wissens über Deutschland bei der deutschen Geschichte der 30er und 40er Jahre liegt. Es ist sinnlos darüber mit Chinesen zu diskutieren, da viele der Meinung sind, von einem großartigen Kriegsführer zu sprechen, der beinahe ganz Europa erobert hätte. Das ist wirklich die gängige Meinung hier.
Heute Abend blieb mir diese Diskussion erspart und wir kamen auf das zweite, was die Chinesen über Deutschland wissen, zu sprechen. Die Deutschen hatten vor hundert Jahren Qingdao besetzt. Das hatten die Japaner ja später auch. Allerdings hassen die Chinesen die Japaner (Warum? Weil das einfach so ist!) und die Deutschen nicht. Den Grund dafür habe ich heute erfahren. Die Deutschen und die Japaner haben zwar beide viele Chinesen getötet, aber die Deutschen haben immerhin das Bier nach Qingdao (früher Tsingtao) gebracht und das steht ja noch heute als Markenzeichen der Stadt. Die Deutschen sind also super und das war mal wieder ein Grund mit der zwischenzeitlich schon gut angetrunkenen Deutschen zu trinken. Und dann ging es wieder um das Neujahr und das Wiedersehen und das Leben und die Familie und das Glück und die Arbeit und und und. "Work is good, happy is better". So lautete die Devise unter der sich Chef und Kollegen zugeprostet haben. Happy waren wir alle. Bierselig könnte man auch sagen:-)

Als ob diese Art der Druckbetankung nicht ausreichen würde.... es fing dann jemand an schnick-schnack-schnuck zu spielen. Der Verlierer hatte zwar das Spiel verloren, aber dafür ein Glas Bier gewonnen, dass natürlich sofort geext werden musste.

Mit steigendem Alkoholpegel wurde mein Chinesisch ein wenig flüssiger, aber das englisch der Chinesen immer unverständlicher, sodass nicht mehr viel sinnvolle Konversation dabei herauskam. Jemand hatte die Idee ein französisches Lied für die Ausländerin zu singen, ein anderer wollte ein englisches singen und ein dritter ein chinesisches. Ich sollte im Gegenzug ein deutsches Lied singen. Das erste Lied, was mir in den Kopf schoss war "An der Nordseeküste". Keine Ahnung wieso, aber ich denke es wäre dem Alkoholpegel angemessen gewesen. Nachdem dem französischen Sänger aber keiner ernsthaft zugehört hatte und alle laut und wild gestikulierend aufeinander einredeten, wurde die Idee zu singen schnell wieder aufgegeben und schnick-schnack-schnuck ging weiter.

Gegen elf Uhr -wir waren bereits die letzten Gäste in diesem Restaurant- brachen wir endlich auf. Mein Kollege, der betrunkener war als ich, bat freundlicherweise an mich mit dem Auto nach Hause zu fahren. Ich lehnte ab, da ich von dort aus nur zehn Minuten laufen musste. Daraufhin sprangen zwei andere Chinesen auf, die mich zu Fuß nach Hause begleiten wollten. Nee, ich bin schon groß und schaff das alleine. Also hab ich mich ganz schnell verabschiedet, leere Versprechungen von baldigem Wiedersehen erwidert und mich ganz schnell alleine vom Acker gemacht.
Ja, so kann es bei einem chinesischen Business Dinner gehen.
Klingt für Außenstehende vielleicht nach Spaß, ist aber wirklich anstrengend.... Das nächste findet hoffentlich nicht morgen statt!